* EINLEITUNG: DAS MOSAIK DER ENDLOSEN MIKRO-THEORIEN UND DIE FUNKTION VON MAKRO-THEORIEN. Theoretische Anmerkungen zur Geschichte der Anthropologie und zur 'Architekturtheorie'. Unter Anthropologen ist heute allgemein die Überzeugung vorherrschend, die menschliche Vergangenheit könne mosaikartig aus unzähligen Mikrotheorien zu einem Gesamtbild zusammengesetzt werden. Wenig stellt man andersrum den Pluralismus sich oft widersprechender Theorien in Rechnung, ein Umstand der, versteht man Geschichte im Sinne von 'Geschehen' als faktischen Prozess, wissenschaftlich unhaltbar ist. Architektur ist bis heute nie ernsthaft in anthropologischen Dimensionen untersucht worden. Wie die vorliegende Forschungsreihe zeigen möchte, könnte Architekturanthropologie jedoch - im Sinne einer neuartigen Makro theorie - für verschiedene Disziplinen der Kulturforschung neue Perspektiven öffnen. In fruchtbarer Weise kann sie herkömmliche Mikrotheorien sinnvoll in einen grösseren Rahmen integrieren. Die Diskussion konzentriert sich zum einen kritisch auf die Geschichte der Anthropologie, zum andern versucht sie der Architektur eine verlässliche theoretische Basis zu vermitteln. Der Zusammenbruch der Moderne war schliesslich vor allem auch ein Kollaps schlecht fundierter Mikrotheorien!
* DIE AKTUALITÄT DES PRIMITIVEN. DAS HISTORISCH PRIMITIVE UND DAS PRIMITIVE DER KULTURANTHROPOLOGIE. Essay zu einer synthetischen Perspektive: Architektur-Evolution und Humanentwicklung. Das Essay vermittelt einen Überblick und eine skizzenhafte Einleitung in die Architektur-Anthropologie. Es gibt die wichtigsten Phänomene und die grundlegenden Argumente, die dieses neue Forschungsgebiet tragen.
* ARCHITEKTUR-ANTHROPOLOGIE. Einführung in ein konstruktives Konzept der Humanentwicklung. Der erklärende Bericht versteht sich komplementär zum vorstehenden Essay. Er charakterisiert das Gebiet kurz und präzis in wissenschaftlichen Begriffen.
* DIE ZUKUNFT GEHÖRT DER THEORIE. DURCHBRUCH ZU EINER KULTURANTHROPOLOGISCHEN THEORIE DER ARCHITEKTUR. Architektur baut interdisziplinäre Brücken zu den Humanwissenschaften. Bericht über neuere Forschungen zur Architekturtheorie, insbesondere über die amerikanischen 'Bau-Form und Kultur Forschungen'.
* AFFEN-ARCHITEKTEN. Die Idee der 'Urhütte' und das Nestbauverhalten der Schimpansen, Gorillas und Orang Utan. Die Studie geht kritisch aus von Joseph Rykwert's Buch 'Über Adam's Haus im Paradies', vertritt die Auffassung, die Ursprünge des Bauens seien dort zu suchen, wo man heute wissenschaftlich den Adam sucht, d.h. unter den höheren Primaten und beschreibt in Einzelheiten das Nestbauverhalten der höheren Menschenaffen als ein architekturtheoretisch entscheidendes Phänomen, das - aus angebbaren Gründen - bis heute kaum in die kulturanthropologische Diskussion gelangt ist.
* 'SOFTWARE' FÜR EINE 'WEICHE' VORGESCHICHTE. Strukturgeschichte und strukturale Ergologie und ihre Anwendung auf eine universell verbreitete 'weiche Industrie': sakrale Territorialzeichen aus nicht dauerhaftem Material. Die Untersuchung rekonstruiert im euro-mediterranen und nahöstlichen Kulturraum Traditionen semantischer Architektur (Lebensbäume usw.) und plädiert für intensivierte archäologische Forschungen zur Ikonologie 'weicher' Sachkultur auf 'harten' und dauerhaften Zeugnissen.
* DER HISTORISMUS QUANTIFIZIERTER PROPORTION. Kritische Einwände gegen Wittkower's 'Architekturprinzipien im Zeitalter des Humanismus'. Die Arbeit beschäftigt sich kritisch mit Wittkower's berühmter Studie, die wesentlich zur Legitimierung der Rationalisierung der modernen Architektur beigetragen hat. Sie zeigt auf, dass Wittkower's gräcophile Ratio letztlich ein Ergebnis seiner Methode ist: er vernachlässigt die architektonische Kontinuität, resp. wichtige Quellen zur Architekturauffassung des Mittelalters. Die Studie verwendet u.a. Architekturdarstellungen mittelalterlicher Buchillustrationen und kommt so - ganz anders als Wittkower - zu einem 'harmonischen' oder 'ontologischen' Verständnis der Proportion.
* DER METABOLISMUS DER FORM IN DER ANTIKEN ARCHITEKTUR. Kritische Betrachtungen zur kunsthistorischen Einordnung von Gottfried Sempers theoretischem Werk und die Bedeutung seiner Ansätze für die neuere architekturanthropologische Forschung. Gottfried Semper, wohl der bedeutendste deutsche Architekt und Architekturtheoretiker der Mitte des 19. Jahrhunderts wird bis heute von den Kunsthistorikern leider immer noch völlig missverstanden. Man interpretiert ihn lediglich als interessante Figur der Ideengeschichte des 19. Jahrhunderts. Faktisch ist aber seine von den grossen Evolutionisten seiner Zeit beeinflusste Theorie auch heute noch revolutionär: das Architektur-Ornament sei nicht bloss Dekoration, sondern Erinnerung an ein untergegangenes Bauen mit organischen Stoffen. Es leuchtet ein, dass diese These zahlreiche Mikro-Theorien in Frage stellt! Die Untersuchung unterzieht Sempers Arbeiten einer neuerlichen Prüfung und sieht in ihm einen wichtigen Vorläufer architektur- und kunstanthropologischer Forschung.
* SEMANTISCHE ARCHITEKTUR: DIE GROSSE MUTTER DER SCHRIFT? Ansätze zu einer Architekturtheorie des Ursprungs der Schrift. Die herkömmliche Interpretation der frühesten Quellen zur Schrift, der von Jordan in der untersten Schicht einer der ersten Städte (Uruk) entdeckten Tontäfelchen stützt sich auf wenige Beispiele natürlicher (Hand, Kopf einer Ziege etc.) oder technomorpher Formen (Boot). Der grösste, unverständliche Teil der Zeichen wird jedoch kaum diskutiert, im allgemeinen einfach als 'stilisiert' eingestuft. Hat sich die Schrift aus 'semantischer Architektur' entwickelt? Diese Untersuchung interpretiert die 'stilisierten' Zeichen als primitiv aus organischen Materialien gefertigte Bauformen. Sie wurden von Bauern erstellt, die um die ersten Städte lebten, um ihre Ansprüche auf Grundstücke und dörfliche Territorien zu markieren. Die Formen dieser gebauten Zeichen wurden von den zentralen Mächten (Tempeln und Königshöfen) auf weiche Tonplättchen gezeichnet, dann gebrannt und als Register zur Steuererhebung verwendet.
* DER EWIG BRENNENDE DORNBUSCH. Die erste Offenbarung des Alten Testaments in ethno-historischer Perspektive. Obschon die politischen und territorialen Absichten Moses', den aus Ägypten herausgeführten Hebräern einen Staat zu gründen, evident sind, interpretiert ihn die Theologie kontinuierlich als Religionsgründer. Diese Studie geht aus von den frühen Bedingungen archaischer Staatsgründungen, die sich auf lokal überliefer-te Territorialkulte stützten. Sie zeigt, dass primitive Heiligtümer dabei eine zentrale Rolle spielten: als eine Art Grundstück- und Territorialregister, zugleich als Archiv zugeordneter genealogischer Linien. Moses' Synthese eines primtiven Kults (ewig brennender Dornbusch, Elohim) mit einem entwickelteren Kult nach ägyptischem Vorbild (Tabernakel, Jahwe) erlaubt es, neues Licht auf die Bedeutung der 'Religion' jener Zeit zu werfen.
* HEINRICH WÖLFFLIN GEGEN FRIEDRICH NIETZSCHE. Zwei sich widersprechende Kunsttheorien: die analytische Methode des 'Stils' und das potentiell harmonische Konzept der 'Spannung' (Koinzidenz der Gegensätze). Heinrich Wölfflin's bekannte 'Grundbegriffe der Kunstwissenschaft' werden mit einer gegensätzlichen Theorie konfrontiert, dem Konzept der 'Spannung' zwischen 'apollinischen' und 'dionysischen' Elementen, wie sie ursprünglich von Nietzsche zur Beschreibung des archaischen Theaters Griechenlands verwendet wurden und später auch zur Beschreibung konstrastierender stilistischer Ausdrucksweisen in die Kunstwissenschaft Eingang fanden. Im vorliegenden Kontext wird 'Spannung' auf die individuelle Form angewendet. Indem nun Spannung verschiedenste Stilformen grundsätzlich analogisiert, gerät Nietzsche's Konzept in fundamentalen Gegensatz zum Stilbegriff. Der Vergleich zeigt, dass die moderne Architektur Dionysos aus unseren Städten vertrieben hat. Der alleinherrschende Apollon langweilt uns zu Tode.
* DIE URSPRÜNGE DER WISSENSCHAFT UND DIE VERDRÄNGUNG DER HARMONIE DER KUNST. Ein philosophisches Szenario, gestützt auf eine Anthropologie der menschlichen Erkenntnis. Diese philosophische Studie stützt sich auf die globale Hypothese - geltend im vorgeschichtlichen, geschichtlichen wie ethnologischen Sinn - dass semantische Architektur in sesshaften Agrardörfern von zentraler Bedeutung wurde: als harmonische Modelle der kategorialen Organisation der lokalen Umwelt (Quellen: Heraklit im vorsokraktischen Griechenland, das Konzept 'coincidentia oppositorum' im europäischen Mittelalter, Yin-Yang-Symbolik in China). Aus dieser Perspektive zeichnet die Studie die Umrisse der Entwicklung analytischen Denkens zwischen Heraklit und Aristoteles als sekundäres System, das, über Jahrhunderte europäischer Impulse, das frühere harmonische System verdrängte und ersetzte. Schluss: auf verschiedenen Ebenen (Kunst, Religion, Geschichte, Ethnologie usw.) zeigt sich erstens, dass das wissenschaftlich-analytische Denken Schwierigkeiten hat, harmonisches Denken zu verstehen, da beide grundsätzlich inkompatibel sind. Zweitens, dass das analytische System die moderne Welt auf allen Ebenen spaltet - somit die natürlichen Gegebenheiten bedroht - und drittens, dass das philosophische Problem wissenschaftlicher Objektivität nun aus dem synchronen Rahmen logischer Erörterungen herausfällt und diachronisch im weitesten Sinn zur Erkenntnis-anthropologischen Frage wird.
* RITUALTRADITION ALS LEBENDIGE GESCHICHTE. Shinto-Kultfeste als Tor zur Kulturgeschichte Japans. Die enge Definition historischer Materialien als datierbare 'Überreste' (Droysen) verdeckt oft das Faktum, dass lebendige Tradition, und besonders rituelle Traditionen, von höchst konservativen Charakter sind und entsprechend - im historischen Sinne - als Zeugnisse geschichtlich sehr alter Zustände verstanden werden können. Die Studie widmet sich einem gemeinsamen Element mehrerer Shinto-Riten, die auf Anhieb sehr verschiedene Züge zeigen. Das eine hat offensichtlich stark mittelalterlichen, das andere betont klassischen Charakter, ein drittes vermittelt gar ausgeprägte Züge der prähistorisch-agraren Dorfkultur Japans. In allen Fällen zeigt besonders das gemeinsame Element, die semantische Architektur im Kern des Kultes, prägnante Züge des historischen Entstehungs-Milieus des entsprechenden Kultfestes. Die drei Beispiele vermitteln punktuell eine kleine Kulturgeschichte des Shinto-Kults.
* MATERIE UND GEIST(ER). Lokale Institutionen und traditionelle Philoso-phie der japanischen Agrardorf-Kultur. Riten und Kultfeste traditioneller Gesellschaften sind meist von ihren pragmatischen Aspekten und ihren ge-ringen ideellen Werten her beschrieben worden, Grund genug, sie - gegen-über den Hochreligionen - als 'primitiv' im abschätzigen Sinne (Aberglau-be, Fetischismus etc.) einzustufen. Doch, liegt vielleicht in dieser notorischen Eingliederung in eine deduktive Hierarchie des absolut Geistigen eine der verheerendsten eurozentrischen Projektionen? Die Studie be-schreibt eine induktive Methode zur Untersuchung von Religion traditioneller Gesellschaften (der Ritus ist die Botschaft!) und weist auf die philosophischen Konsequenzen des Ansatzes hin.
* REIS-KULTUR IN JAPAN. Die missverstandene Philosophie der agraren Vergangenheit. Die westliche Religionsgeschichte hat den Agrarriten wohl allgemein grosses Unrecht angetan, indem sie sie meist aufgrund oberflächlicher Befragungen als 'Fruchtbarkeits-Riten' und dgl. etikettierte. Die Studie skizziert modellhaft japanische Agrarriten auf der Grundlage der Gesamtheit räumlicher und zeitlicher Bedingungen der Dörfer. Die Riten zeigen sich als Ausdruck einer respektvollen Lebensphilosophie, die tief in der lokalen Tradition verwurzelt ist, überdies eine, die - durchaus modern verständlich - die Wirkungen menschlicher Aktivitäten mit den Bedingungen der natürlichen Umwelt ins Gleichgewicht zu bringen sucht.
* FUJISAN - DER HERR DER ZEHNTAUSEND BERGE. Der Ritus als Zugang zum Verständnis des heiligen Berges. Das Phänomen des heiligen Berges ist in vielen Kulturen weit verbreitet. Die Studie orientiert sich am Beispiel des berühmten Fuji-Berges in Japan und skizziert die Entwicklung des Berg-kultes auf der Basis japanischer Agrarriten.
* DIE RITUELLE STRUKTUR DES TRADITIONELLEN JAPANISCHEN HAUSES. Ein Beitrag zur Entwicklungstheorie des Wohnens. Die räumliche Anlage und die grundlegende Bedeutung des traditionellen japanischen Hauses lässt sich nicht lediglich mit den deskriptiven Instrumenten der Architektur erfassen. Seine eigentliche Bedeutung manifestiert sich in einem Bereich, den wir allgemein als Religion bezeichnen. Anlässlich ritueller Ereignisse, die dem Haus zugeordnet sind, werden bestimmte Stellen mit einem besonderen semantischen System markiert. Diese offensichtlich sehr alten Zeichen vermitteln uns die Philosophie, die auch in der Haus-Konstruktion lebt und dem Wohnen seine tiefere Bedeutung gibt. Sie spricht von einer ästhetisch-harmonischen Beziehung zwischen offenen äusseren Bereichen und dem Innern, dem sicher bergenden Heim.
*WAS WAR ZUERST? DER NATüRLICHE HEILIGE BAUM ODER DER KüNSTLICH GEBAUTE BAUM? Ein architektur-anthropologischer Beitrag zum Verständnis des Phänomens 'heiliger Baum'.Die Studie beschreibt eine Tradition mehrerer japanischer Dörfer, wo im Rahmen jährlicher Riten der Dorfgottheit (ujigami) künstliche heilige Bäume gebaut werden. Die eingehende Untersuchung dieser Riten führt zu einer eher ungewöhnlichen Hypothese: dass der natürliche heilige Baum ein sekundärer Typus von Kultobjekten darstellt, der sich von zyklischen Riten mit semantischer Architektur ableitet. Daran knüpfen sich anthropologische Fragen. Hat der Mensch den Baum perzeptiv anhand von Modellen entdeckt, indem er deren kategoriale Strukturen auf den natürlichen Baum übertrug? War derart semantische Architektur dem Men-schen bei der Erkenntnis seiner Umwelt zu Diensten? Wäre die lokale Erin-nerung an diese wunderbare Leistung des 'grossen Lehrers' mithin ein Grund für die traditionelle Ehrwürdigkeit und Heiligkeit dieser Zeichen?
* OHMIHACHIMAN - DIE GRÜNDUNG EINER STADT. Ein ethnohistorisches Modell zur Siedlungsentstehung. Das jährliche Shinto-Kultfest einer mittelalterlichen Stadt Zentraljapans bietet den hypothetischen Ansatz zur Frage, wie in der Geschichte Japans Städte gegründet wurden. Die zentrale Rolle spielt dabei semantische Architektur in der Form von gebauten Zeichen, die die Territorien beteiligter Agrarsiedlungen verkörpern. Das vorgeführte Konzept ist auch sozialpsychologisch von Interesse. Die Ritualtradition integriert die Bewohner verschiedener Bezirke physisch und emotional in einem gigantischen >Happening<, das der Einheit aller gewidmet ist.
* POLARE ASYMMETRIE. Die Evolution der japanischen Kunst von agraren Kulttraditionen. Für die meisten auf Japan bezogenen Kunsthistoriker ist die Entstehung des spezifisch japanischen 'Stils' - und dies besonders in der Architektur - weitgehend ein Rätsel geblieben. In klassischer Zeit wurden vor allem Tempel- und Palast-Bauformen von China importiert und ohne wesentliche Änderungen reproduziert. Im Mittelalter bildet sich jedoch ein spezifisch japanischer Ausdruck heraus. Woher bezog er sich? Die Studie sucht die Antwort in der japanischen Dorfkultur. Die japanischen Agrardörfer hatten immerschon ihre eigene, offensichtlich tief in der Vorgeschichte wurzelnde ästhetische Kultur, die sich jedoch im herkömmlich disziplinären System der Humanwissenschaften aus einsichtigen Gründen nicht abzeichnete.
* JAPAN DAS GROSSE DORF. China-Schule, Nationalgeschichte und moderne Kulturanthropologie. Notizen zur Geschichte des japanischen Geschichtsbewusstseins. Drei essentielle Phasen lassen sich in der Historiographie Japans unterscheiden. Erstens, die frühe 'China-Schule', die nicht nur die Schrift importierte, sondern auch die historiographischen Methoden und historischen Konzepte von China übernahm. Zweitens, die Schule der 'Nationalen Geschichte', eine Reaktion gegen die starke Sinisierung und Rückbesinnung auf eigene japanische Geschichtsquellen; diese Daten wurden nun aber im entwickelten Sinn, insbesondere mit den räumlich extensiven Konzepten Chinas interpetiert und entsprechend verzerrt dargestellt. Mit den modernen Methoden der Kulturanthropologie schliesslich ergibt sich ein gegenüber den Projektionen der geschriebenen Geschichte sehr verschiedenes Bild.
* ARCHITEKTUR-ANTHROPOLOGIE. Umrisse einer konstruktiven Menschenkunde. Die Studie gibt das methodologische Gerüst zur Architektur-Anthropologie. Zum Einen werden die Forschungs-Objekte definiert, ihre Einteilung beschrieben und die theoretischen Konzepte skizziert, die die Phänomene zum Ganzen bringen. Verschiedene Niveaus, kulturtypische und philosophische, werden diskutiert. Die Untersuchung weist vor allem auch die Fruchtbarkeit dieser Art Forschung auf.
* ARCHITEKTUR, BEWEGUNG, GEIST. Das Ozeandampfer-Motiv in der Modernern Architektur. Die intensive Industrialisierung der Zwanziger-Jahre und der entsprechende soziale Druck auf die Grosstädte führten die Architekten jener Zeit dazu, neue Lösungen für die urbane Architektur zu entwickeln. Starke Inspirationen wurden von der damals bereits entwickelten und von den städtischen Eliten bewunderten Hochseedampfer-Architektur bezogen. Angesichts der heute ausserordentlich komplex gewordenen Städtebauproblematik muten uns diese "Theorien" doch sehr naiv an. Anknüpfend an das mit der Dampferarchitektur implizierte Bewegungsmotiv wird dieses oberflächliche Theoretisieren der Architekten jener Zeit mit einer kulturanthropo-logisch weit gespannten Theorie konfrontiert, die sich anhand der Architekturen der afrikanisch-eurasischen Hochkulturen mit dem Menschen und seinem räumlichen Verhalten beschäftigt. Dagobert Frey, der Autor, hat sich in seiner schon Ende der Vierziger Jahre publizierten Arbeit 'Grundlegungen zu einer vergleichenden Kunstwissenschaft' eingehend mit der komplementären Beziehung von Bewegung und Ruhe, von Weg und Ort, von Prozession und Monument beschäftigt. Wie würden wohl unsere Nachkriegs-Städte aussehen, wenn dieses anthropologisch fundierte Konzept in der Wiederaufbauphase zum grundlegenden Design-Prinzip geworden wäre?
* BOTTA: DIE GESCHICHTE IST MEIN GUTER FREUND. Geschichtsklitterung als architektonische Entwurfslehre? Dies ist eine kritische Entgegnung an die Adresse Mario Botta's, resp. auf ein Interview das seine Entwurfskriterien präsentiert. Das Essay kreist um die zentrale Frage: Wie legitimiert der Architekt seine Verwendung der Geschichte - unserer Geschichte - zu seinen willkürlichen "Collagen historischer Formen", die er in den öffentlichen Raum entlässt? Der Text weist kritisch auf Botta's eher rhetorisches Verständnis von Architekturgeschichte hin.
* RENE MAGRITTE ALS ARCHITEKTUROLOGE. Die komplementäre Struktur des architektonischen Raums in den Gemälden René Magrittes. Die grosse thematische Bedeutung gebauter Environments im 'Surrealismus' René Magrittes ist kaum beachtet worden. Diese Studie interpretiert ihn als "Architekturologen" und zeigt ihn als grossen architektonischen Experimentator und als bedeutenden Forscher, der malend nach verschütteten Archetypen des gebauten Raumes sucht.
* PFLANZEN- UND BLÜTENPFEILER. Symbolische Säulen in der Architektur und im Kult Altägyptens. Die Ägyptologie zeigte bisher wenig Interesse für die ausserordentlich reich dokumentierten Arrangements aus Blumen, Blättern und Stengeln, die im Kontext von Riten und Opferszenen auf denWänden von Tempeln und innersten Sakralbauten dargestellt sind. Die Studie ist ein Bericht von einer Forschungsreise ins Niltal. Ihr Ziel war es, im Ansatz Inventar semantischer Architektur in der Ikonographie des Alten Ägypten zu erstellen und den Zusammenhang aufzuweisen zwischen den bekannten Pflanzensäulen der ägyptischen Tempel und dem semantischen System des altägyptischen Kultwesens.
* LEBENSBÄUME. Interpretationsprobleme mit den reichen Quellen des Alten Orients. Das Phänomen des Lebensbaums und seine Bedeutung im alten Mesopotamien ist ein komplexes Problem. Lebensbäume werden im allgemeinen von geschriebenen historischen Quellen her interpretiert, d.h. von Opfertexten, Legenden und Mythen her. Diese Untersuchung diskutiert das Problem aus der Sicht der strukturalen Ergologie.
* DER HEILIGE PFEILER AUF DEM FESTWAGEN. Das Babylonische Neujahrsfest und andere ähnliche Zeugnisse. Ein ethnohistorischer Vergleich. In verschiedenen historischen und rezenten Kulturen, besonders Asiens, finden sich Quellen von Kulten, bei denen auf schwere Wagen montierte heilige Pfeiler erscheinen. Diese mobilen Arrangements spielen als zentrales Element des Kultes eine wichtige Rolle und werden in grossen Prozessionen mitgeführt. Das Phänomen wird interkulturell vergleichend diskutiert und struktural?ergologisch neu interpretiert.
* DAS HEILIGE KLEID DES HEILIGEN PFEILERS: DEKORATION ODER ESSENZ? Ein ethnographischer Bericht über heilige Pfeiler in einigen Hindu-Tempeln Singapurs. In den Bezirken verschiedener Hindu-Tempel Singapurs stehen aus Kupfer oder Zink gefertigte heilige Pfeiler vor einem der Haupttempel der Anlage. Bei einem dieser Tempel erscheint das Äquivalent dieser Pfeiler als temporäre Holzkonstruktion, die in der Vorhalle vor dem Hauptaltar aufgestellt wird. Alle diese Pfeiler werden zu Beginn des jährlich durchgeführten Hauptfestes des entsprechenden Tempels dekorativ mit 'dharba'-Gras-Matten umhüllt. Die Untersuchung, die über mehrere Jahre durchgeführt wurde, lässt annehmen, dass nicht lediglich das Moment des Dekorierens zählt, dass vielmehr die Erinnerung an die ursprüngliche Situation, als der Pfeiler noch ganz aus Gras konstruiert und geformt war, das Wesentliche dieser Tradition ausmacht. Offensichtlich ist die ursprüngliche Form des Pfeilers von Bedeutung für den Kult.
* DER HEILIGE STADT-PFEILER VON BANGKOK UND DIE GEISTERHÜTTEN THAILANDS. Urbane Form und ländliche Typen. Dies ist ein Bericht über Forschungen zur semantischen Architektur in Thailand. Ältere und neuere Untersuchungen zum Phänomen werden kritisch diskutiert.
* DIE REISE IN DEN HIMMEL. Die Funktion ritueller Pfeiler im Schamanismus. Weit verbreitet ist im Schamanismus verschiedenen Typs das Errichten strukturierter Pfeiler, die dem initiierten Schamanen oder Aspiranten der Initiation als Mittel zu Reisen in oft geschichtete Himmelssphären dienen. Die Struktur dieser Himmelsreisen wird struktural-ergologisch diskutiert.
* STROH-KATHEDRALE. Einige Beispiele semantischer Architektur im traditionellen Festkalender Italiens. Die italienische Volkskunde kennt eine Fül-le traditioneller Feste, die im allgemeinen eher entwickelten Charakters sind, dh. sie sind dominiert von Akkumulationen des Hochkulturtyps. Aber in einigen Fällen haben sich primitive Urstände durch die Zeiten erhalten, z.B. in Volongo in der Nähe von Cremona, wo eine hohe Pyramide aus organischem Material errichtet und verbrannt wird. Eine eher groteske Synthese des Primitiven und des Entwickelten findet sich in Osimo: ein temporär erstelltes Modell der Kathedrale aus Stroh wird in Prozessionen mitgeführt.
* PRANGSTANGEN UND PESTKERZEN. Semantische Architektur in der Region um Salzburg, Österreich. Ein volkskundlicher Bericht. In einigen Dörfern im Süden Salzburgs werden hohe Pfeiler mit Blumen oder Wolle, in einem Fall mit langen spiralig aufgebrachten Wachskerzen dekoriert. Diese Pfeiler werden zur Dorf-Kirche gebracht und im Kirchenraum entlang dem Gang zum Altar in Reihen aufgestellt. In einigen Fällen berühren sie den reich bemalten Himmel der Barockkirchen. Die Symbolik ist offensichtlich, sie berühren oder stützen den Himmel. Die ethnographische Felduntersuchung rekonstruiert die autonome vorchristliche Funktion dieses Typs semantischer Architektur innerhalb der lokalen räumlichen und sozialen Gegebenheiten.
* IRMINSUL UND KARL DER GROSSE. Die heilige Säule der Sachsen im Prozess der Christianisierung Nordeuropas.Die Unterwerfung der Sachsen durch Karl den Grossen ist ein Schlüsselereignis in der christlichen Bekehrungsgeschichte Europas. Auf repräsentativer Ebene spricht dieses Ereignis klar und in exemplarischer Weise für die mit Macht geführte Zerstörung traditioneller Quellen, die für das Verständnis vorchristlicher Dorfkulturen grundlegend wären. Leider ist sich die europäische Volkskunde - im weite-ren Sinne auch die Ethnologie - dieser Entstellung ihrer Quellen nie kritisch bewusst geworden. Die Untersuchung zeigt anhand ikonischer Darstellungen, wie solche Symbole in den christlichen Kodex integriert wurden.
* DER HERR DER WILDNIS, DER BÄR, LEBT IM OBEREN TEIL UNSERES HEIMS. Haus und Weltsicht der Ainu. Die rituelle Verehrung von Bären und anderer repräsentativer Jagdtiere war einst weit verbreitet in traditionellenGesellschaften der nördlichen Hemisphäre. Aber die Interpretation solcher Riten im religiösen Kontext ist bis heute höchst fragwürdig geblieben. Dieser zusammenfassende Bericht einer umfangreicheren Studie vermittelt eine struktural-ergologische Interpretation, die sich von der üblichen Primitivisierung solcher Phänomene abhebt, indem sie ihren auch heute noch durchaus zugänglichen Sinn neu erschliesst.
* KLEINES LEHRBUCH DER ARCHITEKTUR-ANTHROPOLOGIE. Eine Einführung in die praktische Forschung. Der Text diskutiert die Beziehungen der architekturanthropologischen Forschung zu anderen Disziplinen der Kulturanthropologie, ihre Methoden der Sachkulturforschung, die theoretischen Interpretationen ihres Materials und die Zielsetzungen dieser neuen wissenschaftlichen Domäne.
* ANHANG: SEMANTISCHE ARCHITEKTUR. Ein architektur-anthropologisches Quellenbuch. Die über grob zwei Dezennien zusammengetragene Dokumentation zeigt hauptsächlich ikonische Quellen zum Begriff semantische Architektur. Aufgeführt sind sowohl prähistorische, historische wie ethnographische Zeugnisse.
* ANHANG: SAMMLUNG VON HYPOTHESEN ZUR ARCHITEKTURANTHROPOLOGIE. Eine Makrotheorie anthropologischer Dimension erzeugt notwendigerweise ein enormes hypothetisches Potential, das in befristeter Zeit kaum in der notwendigen Tiefe untersucht werden kann. Der Anhang gibt eine Kollektion von hypothetischen Ansätzen, die für Forscher in verwandten Gebieten anregend sein mögen.